1. SONNTAG NACH WEIHNACHTEN
Hl. Familie
EVANGELIUM nach Lk (2,41-52):
Von der Kindheits- und Jugendzeit Jesu wissen wir sehr wenig. Jesus wuchs als Jugendlicher in der Stadt Nazareth auf. Vermutlich hatte er eine normale Kindheit, aber davon wissen wir nicht so viel. Er machte eine Lehre als Zimmermann und arbeitete im Betrieb seines Vaters. Das heutige Evangelium gibt uns noch ein paar Andeutungen mehr.
Jesus ist Jude, er wächst mit den Bräuchen des jüdischen Volkes auf, er wird im jüdischen Glauben erzogen. Jesus hat auch die Nerven seiner Eltern genauso strapaziert, wie es die meisten Heranwachsenden tun, denn auf einer Wallfahrt nach Jerusalem beginnt Jesus eigene Wege zu gehen. Es trifft zu was Khalil Gibran, ein indischer Dichter sagt: „Eure Kinder sind nicht eure Kinder... Sie kommen durch euch, doch nicht aus euch. Und sind sie auch bei euch, gehören sie euch doch nicht.“ Der berühmte Ablösungsprozess setzt bei Jesus ein. Mit dem zwölften Lebensjahr sind die Kinder in Israel - religiös gesehen - volljährig. So traut Jesus sich als Großjähriger, im Tempel unter den Lehrern und Schriftgelehrten Platz zu nehmen und mit ihnen zu diskutieren. Er kennt sich aus, so dass die Zuhörer über seine Einsicht staunen.
Jesus nennt Gott seinen lieben Vater, was nicht einmal die Menschen verstehen die ihm am nächsten sind. Hier, in der Tempelszene von Jerusalem wird klar, zu wem Jesus die intensivste Bindung hat. „Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater hört?“ Jesus ist verbunden mit den Menschen, mit denen er lebt, denen er sein Leben verdankt, die ihm umsorgen und gewiss auch wichtig sind, mit denen er sein Leben teilt. Und doch ist er radikal ausgerichtet auf den himmlischen Vater. „So wuchs Jesus heran. Sein Wissen und sein Verständnis nahmen zu. Die Menschen liebten ihn und erkannten: Gott hat etwas Besonderes mit ihm vor.“
Nach dieser Erfahrung in Jerusalem kehrt Jesus mit seinen Eltern nach Nazareth zurück. „Er hörte auf sie und war ihnen gehorsam“, wird gesagt. Er lebt voll und ganz in seiner Familie, aber seine Beziehung zu Gott, seinem Vater, wird sein Leben endgültig bestimmen. Seine Lebensweise sagt uns, was auch für unsere Lebensweise wichtig ist. Auch wir sind in eine doppelte Bindung hineingestellt: zu unserer Familie und zu Gott.
Das heißt: Wir werden uns selbst nur verstehen, wir werden nur entdecken, wer wir wirklich sind , wenn wir von Jesus das lernen, was z.B. der Evangelist Johannes von ihm gelernt hat und was er darüber in seinen Briefen schreibt (wie wir gerade in der ersten Lesung gehört haben): Gott ist Mittelpunkt unseres Lebens. Er ist für uns wie ein Vater, wir sind seine Kinder und deswegen sind wir auch Brüder und Schwestern. Von Jesus lernen wir, dass wir Teil einer großen Familie sind, wo Gott der Vater ist und wir seine Kinder. Wir sind Geschwister. Nur wenn wir es lernen einander so zu betrachten und so zu behandeln, werden wir uns zu wahren Menschen - d.h. so wie Gott uns sieht - entwickeln können.
„Wir dürfen uns nicht nur seine Kinder nennen, sondern wir sind es wirklich.“ Gott erwartet von uns: Wie sollen an Jesus glauben und einander so lieben, wie Jesus es uns aufgetragen hat, d.h. wir sollen uns miteinander verbunden fühlen, durch das Band der geschwisterlichen Liebe. Durch Gott, unseren gemeinsamen Vater, sind wir miteinander verwandt.
Ob wir, Christen, das wirklich verstanden haben? Wir zögern, wenn wir einander Brüder und Schwestern nennen sollen und finden das irgendwie witzig, wollen es mit einem Witz überspielen. Verdrängen wir da nicht den Gedanken, dass wir Kinder Gottes sind? Sehen wir uns als Menschen, die zu einer Pfarrgemeinde gehören, als christliche Glaubensgemeinschaft, als christliche Familie? Und versuchen wir, das zu leben? Natürlich leben Geschwister nie in einer vollkommenen Harmonie. Unter Geschwistern gibt es immer wieder Streitigkeiten. Es gibt keine heile Familie. Aber wenn es darauf ankommt, halten wahre Geschwister immer zusammen. Wenn wir uns selbst nicht so verstehen und sehen wollen, erfüllen wir nicht die Erwartungen von Jesus. Er wird später auch sagen: „Wer ist mein Vater, meine Mutter, wer sind meine Brüder und Schwestern?“ Und er verweist dann auf die Menschen, die um ihm herum stehen: „Das sind meine Brüder und Schwestern, meine Familie, die den Willen des Vaters tun.“ Jesus hatte eine andere Vorstellung von Familie: Es ist mehr als nur Blutsverwandtschaft. Nur wenn wir einander wie Geschwister lieben, tun wir, was Jesus meint. Nicht nur das: „Wer das tut, der lebt in Gott, und Gott lebt in ihm.“